Predigt zum Vierten Advent 2020
von unserem Pfarrer Vornewald
Die nach wie vor extrem hohen Infiziertenzahlen machen Angst, und die immer weiter steigenden Zahlen der an einem Tag Verstorbenen sind sehr bedrückend. In Wien wurden in dieser Woche mehrere tausend Grablichter auf dem Stephansplatz aufgestellt, für jede und jeden Verstorbenen eine. Also sage ich mir jeden Morgen, nachdem ich bald nach dem Aufstehen die Nachrichten gehört habe: Setz Dir heute immer rechtzeitig die Maske auf. Seit mir jemand, der es gut mit mir meinte, zwei medizinische Masken geschenkt hat, sind in meinem Empfinden die anderennicht mehr gut genug für mich. Bleib zuhause, wenn möglich. Achte darauf, in keine verfänglichen Situationen zu geraten. Lass Dich zu nichts hinreißen, konsequentes Nähe fasten den ganzen Tag lang. Wie lange halte ich, halten wir das durch? Heute wird es gehen, da achte ich drauf, der morgige Tag wird für sich sorgen. Wenn ich an Pläne für das nächste Jahr denke, dann ist klar, ich weiß es nicht, was wird. Sieh zu, dass Du nicht positiv wirst, dasist jetzt die erste Pflicht mir und anderen gegenüber. Denn wenn ich auf mich achte, dann achte ich auch gut auf andere. Heute nicht, einen anderen Besuch oder eine andere Umarmunghabe ich heute nicht für Dich, demnächst, einandermal. So ist das nun mal, für mich und für alle anderen. Darin sind wir solidarisch und verbunden. So gehen wir in diesem Jahr auf Weihnachten zu. Und Weihnachten bedeutet auf keinen Fall, dass das dann einfach mal nicht gilt. Das wäre Gott versuchen. Auch wenn ich es mir wünschen würde. Aber wie wird es dannWeihnachten? Wohl anders. Aber Gott ist ja immer anders, weil er immer je neu im Augenblick ist. Wer seine liebgewordenen Gewohnheiten mit ihm verwechselt, der kommt in diesem Jahr vermutlich weniger auf seine Kosten. Wobei das vielleicht etwas einseitig ist, es so zu sehen. Denn in Gewohnheit steckt Wohnung drin. Und das kann durchaus auch heißen, dass es bedeutet, bei Gott zuhause zu sein. Aber wenn es den Aufbruch in die je neue Situation verhindert, man geistig geistlich träge ist, dann eher nicht. Weihnachten feiern wir ja das Kommen Gottes in unsere Welt, deshalb ist ja diese Nacht heilig, geweiht. Seit einigen Wochen haben wir versucht, uns für sein Kommen zu öffnen, wie in dem Kanon nach einem Wort aus dem Buch Jesaja. Dreimal heißt es da: Mache Dich auf und werde Licht.Am 1. Advent: Mache dich auf und werde Licht: Sei wachsam, rechne mit ihm. Am 2. Advent: Mache dich auf und werde Licht: Bereite ihm den Weg in unsere Welt. Am 3. Advent: Mache dich auf und werde Licht: Freue dich auf ihn, er ist nahe. Und heute, am 4. Advent, da singen wir den letzten Vers dieses Kanons: Denn Dein Licht kommt!Dein Licht kommt. Da ist die erste Botschaft verborgen, die in diesen Tagen wichtig ist: Gott kommt immer als Licht. Er durchbricht und überwindet die Finsternis. Gott hat keine Finsternis, da ist nichts bedrohliches, „Gott ist Licht“, sagt der Johannesbrief, „und keine Finsternis ist in ihm!“ Wir können arglos vertrauen wie ein Kind. Und wenn er je neu ist, dann kommt er heute in unsere Welt. Nicht einfach alle Jahre wieder, sondern so, dass es uns heute Licht bringt. Es ist ja kein Zufall, dass unsere Vorfahren das Fest der Geburt Christi in die dunkelsten Tage im Jahr gelegt haben. Es gibt keinen noch dunkleren Ort, jedenfalls keinen, wo Gott nicht hingelangt. Die ganze Welt, so wie sie ist, wird von seinem Licht erleuchtet und durchdrungen. Also darf in diesen Tagen die geforderte Wachsamkeit geborgen sein in ein grundlegendes Vertrauen. Direkt vor der Weihnachtsbotschaft kann man im Lukasevangelium das Motiv für Gottes Kommen erlauschen. Da heißt es: „Durch die barmherzige Liebe unseres Gottes wird uns das aufstrahlende Licht aus der Höhe besuchen, um allen zu leuchten, die in Finsternis sitzen und im Schatten des Todes und unsere Schritte auf den Weg des Friedens zu lenken.“ Dabei ist jedes Wort von Bedeutung. Uns soll es jetzt genügen, dass es „durch die barmherzige Liebe unseres Gottes“ geschieht. Das ist das Motiv, das will Gott zeigen und uns schenken, darum werden wir von ihm besucht. Und als wenn Liebe nicht reichen würde, setzt der Text hinzu „barmherzige Liebe“! Martin Luther übersetzt „herzliche Barmherzigkeit“! Vielleicht haben wir in diesem Jahr mit seiner allgegenwärtigen Bedrohung sogar mehr vor Augen, dass wir das Licht brauchen, dass wir ohne dieses Licht nicht leben können. Schließlich liegt die Gefahr des Todes als Schatten über diesen Tagen, wie wohl lange nicht mehr. In dieses Dunkel sendet Gott Licht, damit wir uns nicht von unserer Angst leiten lassen. Auch diese Tage sind Tage, die voller Freude sein können, die eine Fülle in sich tragen! Wir feiern ja, dass er in unsere Mitte kommt, um unser Leben zu teilen, wie es jetzt ist, aus herzlicher Barmherzigkeit! Damit wir vertrauen, deshalb schickt er auch seinen Engel. Bei einem Engel ist alles eindeutig, Du musst in keiner Weise misstrauen und aber sagen. Hier ist Gott am Werk. Du darfst aber auch nicht meinen, Du wüsstest es besser. Auch wenn Du ganz gebildet und aufgeklärt sein solltest. Diesen Weg wählt Gott, und du kannst sicher sein, nur so wird es heller. Du wirst das Licht nur finden, wenn Du nicht urteilst, sondern wir es so nimmst, wie Gott es uns gibt. Das meistgebrauchte Wort, das in der Bibel von Engeln zitiert wird, lautet: Fürchtet euch nicht!Im heutigen Evangelium schauen wir den Weg, den Gott zu uns wählt. Wohin kommt der Engel? Nach Nazareth, einem wohl eher unbedeutenden Ort. Kann denn aus Nazareth etwas Gutes kommen?, fragten die Gelehrten der jüdischen Religion, als sie hörten, woher Jesus kommt. Zu wem kommt er: Zu Maria, einer unbedeutenden, jungen Frau, die keiner auf dem Zettel hatte. Das stellt vieles in Frage: wer ist bedeutend, wo geschehen die wirklich wertvollen Dinge, von wo geht das Licht aus, das uns Kraft gibt und die Finsternis zu wandeln vermag? Natürlich ist es ein großes Glück, dass es einen Impfstoff gibt, der uns hoffentlich aus der gegenwärtigen Not befreien wird. In diesen Tagen habe ich ein Bild bekommen, wo jemand aus einem Mund-Nasen-Schatz einen Engel gebastelt hat. Wir haben allen Grund, für unser Gesundheitsystem und so viele Dinge zu danken, die uns schützen und helfen. Aber ist es schon genug, wenn wir zum Status quo zurückkehren? Das wäre viel. Aber Gott ist anders, er ist, wie der hl. Ignatius das übersetzt hat, immer größer. Das können wir ablesen an Maria, der Frau, zu der er kommt. Sie muss sich auf den ganz Anderen einlassen, alles wird ganz anders. Die Pläne, die Vorausschau, die sie hatte für ihr Leben, sie muss sie zurücklassen. Im anderen Evangelium erfahren wir: Und Josef mit ihr. Und der Engel muss um sie werben. Wie soll das gehen?, fragt sie. Wie soll das gehen, dass Gott ein Mensch wird? Der Engel gibt ihr ein Zeichen, er erzählt von ihrer Cousine Elisabeth, dann holt er den letzten Trumpf heraus: Denn bei Gott ist nichts unmöglich! Das ist im besten Sinn entwaffnend. Wer bewaffnet ist, der hat Angst. Maria öffnet sich für den Weg Gottes in ihr Leben und damit in unser Leben. Da geschieht das Unmögliche. Ganz verborgen, weil er viel tiefer eintaucht in unser Leben als nur an die Oberfläche, wo die Kameras aufgestellt sind. Gott sei Dank war Maria zuhause, als er kam, so wie wir in diesen Tagen. Na dann kann es ja Weihnachten werden.