Predigt zum Dreifaltigkeitssonntag 2020
von unserem Pfarrer Vornewald
Da stand er da, fast wie ehedem Martin Luther, vor der Kirche mit der erhobenen Bibel in der Hand. Den Weg von seinem Amtssitz zur Kirche musste ihm gebahnt werden, friedliche Demonstranten wurden mit Wasserwerfern und Tränengas vertrieben. Was wollte Donald Trump damit? Wollte er für sich in Anspruch nehmen, dass er, der amerikanische Präsident im Namen Gottes handelt? Mich hat die Szene erschrocken und angewidert.
Ich habe dann mein eigenes Interesse daran abgewürgt. Ich wollte mich damit nicht beschäftigen! Was mich aber weiter beschäftigt, ist die Frage: Was bedeutet es denn, mit der Bibel in der Hand, im Namen Gottes leben zu wollen? Ich meine, wenn sich jemand wirklich diesem Anspruch stellt?
Im Namen Gottes! Dieses Wort hat in der Bibel wirklich eine herausragende Bedeutung. Man kann mit dem Namen Gottes quasi alles von Gott bekommen! Es bedeutet beinahe so etwas wie Macht über Gott zu haben! Und es ist eine ganz eigene Sache mit dem Namen Gottes. Mose erhält Dornbusch den Auftrag, das Volk Israel aus der Sklaverei in Ägypten herauszuführen. Denn, so sagt Gott, „ich habe das Elend meines Volkes gesehen!“. Da fragt Mose Gott nach seinem Namen, denn er möchte sich ausweisen können. Die Antwort Gottes wird durch die ganze Bibel hindurch immer wieder genannt. Der Name, den Gott nennt, wird in den Buchstaben so aufgeschrieben im Zusammenspiel von Vokalen und Konsonanten, dass man es nicht aussprechen kann. Man kann weder sagen, dass es Jahwe heißt noch dass es Jehova heißt! Übersetzt wird es mit: „Ich bin der Ich bin da!“ In der neuen Übertragung sogar nur mit: „Ich bin der ich bin.“ Immer wieder wird für Gott in der Bibel dieser Name gebraucht, es wird stets umschrieben. In der Lutherübersetzung steht dann jeweils mit Großbuchstaben das Wort HERR, in der neuen Einheitsübersetzung wird dies übernommen. Und auch wenn man es nicht aussprechen kann, sondern es sich in ein Geheimnis entzieht, ist es doch die Grundbotschaft der Bibel: Gott ist „Ich bin“, er ist da. Das Volk Israel hat es erfahren auf dem langen Weg des Auszugs und des Durchzugs und der Wüstenwanderung in das Gelobte Land. In der Geschichte des Volkes sind die Erfahrungen mit diesem Gott das Spannendste. In den geschichtlichen Erfahrungen, die Menschen machen dürfen, erweist sich der geheimnisvolle Name Gottes. Sie gewinnen eine Erkenntnis, eine Freiheit, ein eigenes „Ich-bin!“ Aber nicht so, dass sie nun über Gott Bescheid wüssten. Sondern indem Gott sich zeigt, wird er umso tiefer ein unergründliches Geheimnis. Wer meint, über Gott Bescheid zu wissen, der weiß gar nichts. Man kann ihn auch nicht für sich in Anspruch nehmen, so sehr er auch nahe kommt, sich uns zuwendet, er bleibt immer der ganz andere. Und doch gibt es durchaus durch die Geschichte einen Erkenntnisgewinn. Es wird immer deutlicher, wer Gott ist. Er ist ein Gott des Friedens, er schenkt Versöhnung, seine Macht ist so unendlich groß, dass er uns in Freiheit lässt.
Ganz in dieser Tradition steht Jesus von Nazareth. Von der ersten Seite des Evangeliums bis zur letzten Seite steht er für diesen Gott. Ja er ist selber die Wirklichkeit Gottes in menschlicher Person. Er ist da, er wird Mensch!
Sein Name ist „Immanuel“, „Gott mit uns“, heißt es im ersten Kapitel des Matthäusevangeliums, seine letzten Worte dort sind: „Seid gewiss, ich bin mit euch alle Tage bis zum Ende des Welt!“ Das Markusevangelium führt uns schon im ersten Satz auf eine entscheidende Spur: Anfang des Evangeliums von Jesus Christus, dem Sohn Gottes! Damit ist eine uneinholbare Qualität der Zuwendung Gottes in ihm gemeint. Hier erreicht die Geschichte Gottes mit den Menschen ihren unüberbietbaren Höhepunkt. Das Lukasevangelium hat auch eine sehr prägnante Art, Jesus vorzustellen. Direkt vor der Erzählung der Geburt Jesu stehen die Worte: „Durch die barmherzige Liebe unseres Gottes wird uns besuchen das aufstrahlende Licht aus der Höhe, um allen zu leuchten, die in Finsternis sitzen sitzen und im Schatten des Todes und unsere Schritte zu lenken auf den Weg des Friedens.“ Es geht um Jesus! Er ist das Licht aus der Höhe. Entscheidend ist, was zugrundeliegt: „Durch die barmherzige Liebe …“, heißt es, Martin Luther übersetzt „Durch die herzliche Barmherzigkeit …“! Das ist das Grundmotiv des ganzen Evangeliums. Man denke nur an die Geschichte von dem Vater und den beiden Söhnen.
Im Johannesevangelium erfüllt sich durch Jesus der Name Gottes: Es gibt einen roten Faden, wo aufgezeigt wird, dass sich alle Erfahrungen, die Menschen machen durften mit dem Gott „Ich bin der ich bin“, in Jesus erfüllen, ja übertroffen werden. Mose in seiner Unmittelbarkeit zu Gott, „Niemand hat Gott je gesehen, er hat Kunde gebracht“, die Schlange auf dem Stab in der Wüste, „so muss er erhöht werden“, Jakob mit seinem Traum von der Leiter, „Ihr werdet die Engel Gottes auf- und niedersteigen sehen …“ und vieles mehr. In ihm erfüllt es sich! Er ist die Zuwendung Gottes, den er immer wieder zärtlich liebevoll Vater nennt. Jesus sagt: „Wer mich sieht, sieht den Vater!“ Er weiß sich mit seinem ganzen Wesen als Sohn. Als er die Jünger Freunde nennt am Abend vor seinem Tod, ist seine Begründung: „ … denn ich habe euch alles mitgeteilt, was ich von meinem Vater gehört habe!“ Anders und schöner kann er seine Freundschaft nicht erweisen. Und wenn er (am Kreuz) erhöht ist, wird er alle an sich ziehen. Feierlich bekennt das Evangelium, als er tot am Kreuz hängt: Blut und Wasser strömten aus seiner Seite! Wasser für das Leben und Blut für die Liebe, die er schenkt.Und dann sagt er am Abend des Auferstehungstages: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich Euch!“ Im Namen Gottes, in seinem Namen!
So ist es nur folgerichtig, wenn er sagt: „Alles, um was ihr in meinem Namen bittet, ihr werdet es erhalten!“ Dafür empfangen wir seinen Geist! „Er hauchte sie an und sprach: Empfangt den Heiligen Geist!“ Im Namen Gottes!? Wir können es auffächern: Im Namen Gottes, des Vaters und im Namen des Sohnes durch seinen Geist!
Im heutigen Evangelium kommt alles auf den Punkt! „So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingegeben hat!“ Da ist alles in einer ganz knappen Formulierung zusammengefasst! Das „So sehr …“ entzieht es jedem Zugriff, es gibt kein menschliches Maß, es ist immer größer! Ja, Gott ist unbegreiflich, aber es kann doch positiv beschrieben werden mit dem Wort: Er ist Liebe! Und dass er seinen einzigen Sohn hingab, ist zunächst auch eine Überhöhung aus der Geschichte der Menschen mit Gott: der ungeheuerlichen Geschichte, wo Abraham bereit ist, seinen Sohn zu opfern. Diesen Sohn hatte ihm Gott geschenkt als Erfüllung der Verheißung an ihn. So gesehen, wird der ganze Weg Gottes zu uns Menschen in einem Satz gefasst! Vom ersten Anfang an mit Abraham kommt hier alles zusammen. Auch alles, was wir im Kirchenjahr angefangen im Advent, zu Weihnachten und Ostern bis Pfingsten gefeiert und empfangen haben: So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingegeben hat, in die Armut der Krippe an Weihnachten, bis in den Tod am Kreuz an Ostern, und uns sein Innerstes öffnend in der Einhauchung des Geistes an Pfingsten! Um diese Zusammenschau geht es heute, am Sonntag danach, dem Dreifaltigkeitssonntag. Und das Motiv für die „so sehr Liebe“ erweist es als unser Lebensglück! „Damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrundegeht, sondern das ewige Leben hat!“ Es geht ihm um unser Leben. Ewiges Leben ist einfach volles ganzes totales Leben in Gott! Du gehst nicht zugrunde! Du kannst vertrauen! Er will, dass wir leben. Wer die Bibel hochhält, wer im Namen Gottes auftritt, der hat dies als seinen Zuspruch und Anspruch. Und tritt selber ein in den Weg Gottes zu uns, in die Nachfolge Jesu. Aber nicht so, dass es uns Angst machen müsste, sondern als ein erfülltes Leben, weil das Motiv Liebe hat. Dazu kommt dann noch eine wichtige Aussage: „Denn Gott hat ihn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richtet, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird!“ Das Ganze scheitert also nicht an unserem eigenen Versagen. Wer die Bibel hochhält, wird also nicht richten, und sich selber zum Maß stilisieren, sondern er wird die Welt, also jede und jeden als gerettet sehen. Alles andere ist Missbrauch des Namens Gottes. Wer in seinem Namen lebt, der wird versuchen, die Menschen zu retten, auch vor seinem eigenen Blick und Urteil. Er wird es offenhalten, nicht nur, weil ja jeder selber unter dem Urteil steht, sondern weil das Motiv Gottes ist: so sehr geliebt! Diese Haltung gilt auch gegenüber Donald J. Trump! Nur so bleibt die eigene Freiheit zum Guten beschützt!
Wollen Sie es wagen, so zu leben, im Namen Gottes? Schon lange, bevor wir etwas dazu tun konnten, wurde der Name Gottes über unser Leben gesprochen. Das war bei unserer Taufe „im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes!“ Das ist die grundlegende Zuwendung Gottes zu Dir und zu mir! Das Pluszeichen, das alles umwertet, das Ja Gottes. Du musst es nur glauben, an den Namen des einzigen Sohnes Gottes, wie es das Evangelium nennt. Und es tut gut, diese wunderbaren Worte immer wieder als das eigene Selbstbewusstsein zu wiederholen: Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes! Und dabei das Zeichen des Kreuzes über Dich zu machen: So sehr geliebt! Im Namen des Vaters, die Hand auf dem Kopf, denn Gott ist über Dir, im Namen des Sohnes, die Hand geht nach unten bis zum Sola Plexus, denn er ist unter Dir, unter uns, und des Heiligen Geistes, die Hand geht an der Schnittstelle von oben nach unten, also zwischen Vater und Sohn nach links und nach rechts bis an die Ränder des Körpers, denn Gott umgibt Dich von allen Seiten. Der Gott, dessen Name unaussprechlich ist: Ich bin da!