Herzlich Willkommen

Predigt zum Palmsonntag 2021

von unserem Pfarrer Vornewald

Aus dem heiligen Evangelium nach Johannes.

In jener Zeit

gab es auch einige Griechen unter den Pilgern,

die beim Paschafest Sprich: Pas-chafest. in Jerusalem Gott anbeten wollten.

Diese traten an Philíppus heran,

der aus Betsáida in Galiläa stammte,

und baten ihn: Herr, wir möchten Jesus sehen.

Philíppus ging und sagte es Andreas;

Andreas und Philíppus gingen und sagten es Jesus.

Jesus aber antwortete ihnen:

Die Stunde ist gekommen,

dass der Menschensohn verherrlicht wird.

Amen, amen, ich sage euch:

Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt,

bleibt es allein;

wenn es aber stirbt,

bringt es reiche Frucht.

Wer sein Leben liebt,

verliert es;

wer aber sein Leben in dieser Welt gering achtet,

wird es bewahren bis ins ewige Leben.

Wenn einer mir dienen will,

folge er mir nach;

und wo ich bin,

dort wird auch mein Diener sein.

Wenn einer mir dient,

wird der Vater ihn ehren.

Jetzt ist meine Seele erschüttert.

Was soll ich sagen:

Vater, rette mich aus dieser Stunde?

Aber deshalb bin ich in diese Stunde gekommen.

Vater, verherrliche deinen Namen!

Da kam eine Stimme vom Himmel:

Ich habe ihn schon verherrlicht

und werde ihn wieder verherrlichen.

Die Menge, die dabeistand und das hörte,

sagte: Es hat gedonnert.

Andere sagten: Ein Engel hat zu ihm geredet.

Jesus antwortete

und sagte: Nicht mir galt diese Stimme,

sondern euch.

Jetzt wird Gericht gehalten über diese Welt;

jetzt wird der Herrscher dieser Welt hinausgeworfen werden.

Und ich, wenn ich über die Erde erhöht bin,

werde alle zu mir ziehen.

Das sagte er,

um anzudeuten, auf welche Weise er sterben werde.

Evangelium unseres Herrn Jesus Christus

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In den letzten Tagen habe ich per whatsapp einen von den vielen kleinen Filmen bekommen: I“ have a dream“ hieß der. Aber nicht so ein Traum wie der von Martin Luther King. Es ging darum, dass wir davon träumen, dass wir uns wieder besuchen können, uns wieder in den Arm nehmen, keine Masken mehr tragen und nichts mehr von Corona hören. Nur ein Traum, der hoffentlich bald wahr wird, so endete das ganze. Ja ja, es ist anstrengend.Aber bis auf weiteres wohl nicht anders möglich. Die Ansteckungsgefahr scheint sogar höher zu sein als zuvor und es dauert, bis wir mit dem Impfen voran kommen. Seit einiger Zeit ist diese Weise zu leben ein Teil meines Fastens. Ich versuche es als einen bewussten Verzicht zu leben. Beim Anschauen des Videos habe ich natürlich Sehnsucht bekommen. Ich hoffe, dass diese Zeit nicht umsonst und sinnlos für mich/für uns wird. Denn ich kann in dieser Zeit neu sensibel werden, was für ein Geschenk körperliche Nähe ist, wie wenig selbstverständlich unbefangener Umgang miteinander, wie schön das ist, wenn wir an meinem großen Küchentisch wieder zusammen sitzen werden in großer Runde. Ich glaube, es wird noch mal besser schmecken. Wirklich? Werde ich mich nicht wieder ganz schnell dran gewöhnen? Oder wird etwas bleiben, Situationen, Dinge in meinem Leben nicht selbstverständlich zu nehmen? Eigentlich ist das die Übung meines Glaubens an Gott: Nichts selbstverständlich zu nehmen!!! Was hätte ich, was ich nicht empfangen habe, heißt es in den Paulusbriefen. Und je mehr Liebe mir durch etwas geschenkt wird, desto schlimmer ist es, wenn ich es nicht beachte und einfach normal finde.

Vorhin, bevor ich mich nun hingesetzt habe die Predigt auszuarbeiten, war ich in der Kirche und wir haben unser großes Kreuz mit einem dunklen indigofarbenen Stoff verhüllt. Wir werden es für einige Tage nun nicht mehr sehen. Der so gute Blick auf den, der erhöht ist, der ist für einige Zeit nicht mehr möglich. Am Karfreitag wird das Kreuz enthüllt, auf dass man ganz neu draufschaut. Darin liegt doch die Botschaft: Gewöhne Dich bitte nie dran, dass es das Kreuz gibt, an das Bild, dass eine Leiche, einen gerade gestorbenen Mann zeigt, der als Verbrecher verurteilt grausam erstickt ist, wohl sechs Stunden hat er so gehangen, verhöhnt, verspottet, angepöbelt, vorher gefoltert, und das alles absolut ungerecht. Damit wir davor bewahrt bleiben, vor dieser Lieblosigkeit, fasten wir jetzt den Blick auf dieses Kreuz. Lieblos? Wenn es stimmt, dass es Ausdruck von Liebe ist, ja dass ich und du davon profitieren und zwar ganz wesentlich! Was ist das dann, wenn man gedankenlos damit umgeht, es ohne innere Bewegung einfach hinnimmt? Und vielleicht denkt, das wäre doch nicht nötig gewesen? Mit dem Verhüllen ist doch auch der Wunsch verbunden, dass wir von dieser Liebe träumen, sie uns ersehnen. Jetzt, wo wir sie nicht sehen, da merken wir doch erst, wie schön und lebenswertvoll das ist, dieser Aufblick. Wie sagt man: Was würde ich dafür geben, wenn … uns diese Liebe ersehnen?! Leider muss man in dieser Woche sagen, dass es die Vertreter unserer Kirche mal wieder schwer machen, den Blick auf Jesus zu finden. Was aus Rom verlautet wurde zum Umgang mit der Segnung Homosexueller und was das Gutachten in Köln zutage gebracht hat, verstellt den Blick.

Halten wir uns lieber an die Worte, die heute die biblische Botschaft sind: „Siehe, Tage kommen, da schließe ich mit dem Haus Israel und dem Haus Juda einen neuen Bund! … Spruch des HERRN: Ich habe meine Weisung in ihre Mitte geschrieben und werde sie auf ihr Herz schreiben. Ich werde ihnen Gott sein und sie werden mir Volk sein. Keiner wird mehr den anderen belehren, man wird nicht mehr zueinander sagen: erkennt den HERRN!, denn sie alle, vom Kleinsten bis zum Größten, werden mich erkennen – Spruch des HERRN. Denn ich vergebe ihre Schuld, an ihre Sünde denke ich nicht mehr.“ Das sind Worte aus der Lesung heute. Die Tage, die kommen, das ist jetzt vor Ostern. Sie werden mich erkennen, das ist der Blick auf das Kreuz, die Einsicht: So sehr hat Gott die Welt geliebt! Ich werde es auf ihr Herz schreiben, da muss keiner mehr belehrt werden. Und wenn wir alle erkennen, dann leben wir alle auf Augenhöhe miteinander: I have a dream. Und am Ende heißt es: Denn ich vergebe die Schuld, an ihre Sünde denke ich nicht mehr. Dann muss keiner mehr dem anderen etwas vorwerfen, wir müssen keine Angst mehr voreinander haben. An ihre Sünde denke ich nicht mehr, das ist noch weit cooler als nicht mehr an die Maske denken müssen, oder?

Die Zeit ist jetzt! Genau dasselbe hören wir im Evangelium. Auf die Bitte: Herr, wir möchten Jesus sehen!, antwortet Jesus: Die Stunde ist gekommen, dass der Menschensohn verherrlicht wird. Und er gibt uns eine Hilfe, dies zu sehen. Er findet ein Gleichnis: „Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein. Wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht.“ Für mich ist hier als erstes erstaunlich, dass Jesus in dem Moment, wo seine Stunde gekommen ist, dieses Bild findet. Man sagt ja, dass einer so sterben kann, wie er gelebt hat. Ich bin überzeugt, dass das einen Einblick gibt in alles, was Jesus zuvor gelebt und getan hat. Lieben hat immer den Moment von Loslassen. Er hat dies schon immer eingeübt, gelebt, in allen Begegnungen, wenn seine Liebe so intensiv und echt war in seiner Zuwendung, dass Menschen heil wurden, wenn er unerschrocken widersprochen hat: Ich aber sage euch! Immer hat er sich ganz losgelassen, sich hineingegeben in den je eigenen Augenblick. Das ist keine Ichschwäche, sondern -stärke. Denn sonst hätte er ja gar nichts gegeben und es wäre wirkungslos gewesen. Er ist der geliebte Sohn des Vaters, der an ihm Freude hat, mit der Zusage hat alles begonnen. Im Loslassen hat er lernen dürfen, dass er getragen wird. Obwohl man dieses Vertrauen zwar durch Erfahrungen irgendwie wissen kann, ist es doch immer neu ein echtes Sich geben. Gewöhnen kann man sich wohl nicht, aber einüben kann man Vertrauen. Und das trägt, Das hat Jesus gelebt und er lebt es jetzt weiter, selbst wenn es wie das eigene Korn in die dunkle Erde hinab geht. Das Gleichnis behauptet, dass es nur so Gemeinschaft gibt, nur wenn das Korn in die Erde fällt und stirbt, bringt es reiche Frucht. Sonst bleibt es allein. Es gibt ein Lied über das Weizenkorn. Wenn da die Worte kommen: „Die Menschen müssen füreinander sterben“, dann muss ich immer schlucken. Wer will schon sterben? Ich nicht. Aber dass echte Zuwendung, wirkliche Begegnung immer ganz wesentlich von Loslassen lebt, also etwas aufgeben, mich wirklich öffnen bedeutet, das leuchtet mir ein. Und dass wir uns gegenseitig verletzen, wenn jemand das nicht tut, sondern sich selber zurückhält. Ich habe für mich den Eindruck, dass die gegenwärtige Situation unseres einschneidenden Verzichts, um uns vor der Ansteckung durch das Virus zu schützen, dafür tatsächlich eine gute Übung sein kann. Also Wünsche loslassen, darauf verzichten, damit wir uns keinen Schaden zufügen. Wenn wir es so sehen, dann  kann diese Zeit im Lockdown doch reiche Frucht bringen. Loslassen, Verzicht, um miteinander zu leben, hört sowieso nie auf. Kinder sind da sehr sensibel. Sie werden von dieser Haltung geprägt, dass sie empfangen oder nicht, und weniger von dem, was man ihnen erzählt oder als Ersatz an Geschenken macht.

Eine kleine Beobachtung ist ganz wichtig: Jesus sagt: „Die Stunde ist gekommen, dass der Menschensohn verherrlicht wird!“ Er sagt nicht, dass er sterben muss. Natürlich ist das damit gemeint, aber es geht um Verherrlichung. Es geht darum, dass sichtbar wird, wer er ist, dass uns die Augen aufgehen, wir seine Wirklichkeit wahrnehmen. Es geht darum, dass das Reich Gottes lebendig wird. Deshalb werden wir auch so nachdrücklich im weiteren Text in diese Haltung eingefordert: Wenn einer mir dienen will, folge er mir nach … Es geht dabei aber um Verherrlichung, es geht um den Himmel auf Erden, darum, dass wir glücklich miteinander leben können. Ja, es wird sogar die Stimme aus dem Himmel aufgerufen: Jesus lässt sich in seiner Erschütterung los, indem er sagt: Vater, verherrliche deinen Namen! Und es ist zu hören: Ich habe schon verherrlicht und werde ihn  wieder verherrlichen. Wir würden vielleicht sagen: Gott hat sich hier einen Namen gemacht. Ja, er wird als Gott sichtbar, wir können ihn hier erkennen! Als Liebe, die Leben schenkt, indem sie sich selber schenkt.