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Predigt zum 12.07.2020

von unserem Pfarrer Vornewald

(zum 12.07.2020)

Man kennt diesen Vergleich, den von dem Sämann, der den Samen sät und der Samen fällt auf verschiedene Gegebenheiten: auf den Weg, auf felsigen Boden, unter die Dornen und auf guten Boden. Und man nimmt es unwillkürlich als Aufforderung, sich zu fragen, wie das bei einem selber ist, versucht, sich mit seiner Lebensweise in den verschiedenen Beschreibungen wiederzufinden, bin ich so oder eher so, gibt es dies bei mir oder auch das … und am Ende sagt man sich: Man sollte … Bloß, hilft das weiter? Bei mir nicht so sehr. Ich nehme mir dann was vor, aber spätestens nach einer Woche merke ich, wie da wieder felsiger Boden war, wie die Dornen gewuchert haben … es ist nicht einfach, aus den eigenen Fallstricken heraus zu kommen. Vor einem Jahr waren diese Gottesreichgleichnisse Thema bei den Pilgerwochen. Damals habe ich ein beeindruckendes Bild eines Sämanns gefunden, gemalt von Vincent van Gogh. Beim Schauen auf das Bild habe ich zu dem Gleichnis eine neue Perspektive bekommen. Ich habe nicht mehr als erstes darauf geschaut, wohin seine Samenkörner fallen, ich habe mir den Sämann angeschaut. Und habe gemerkt, dass dies viel weiter führt. Der Grund ist wohl darin zu finden, dass es bei der eigenen guten Disposition der Erde für den Samen auf die Haltung ankommt, die ich dem Samen gegenüber einnehme. Dass er in meinen lebendigen Seelenboden fällt und dort Frucht bringt hat doch damit zu tun, dass ich mich öffnen kann. Zumal der Samen ja das Wort ist, das Wort vom Reich, wie Jesus erläutert. Dass ich es aufnehme und es in mir wirken kann, hängt von meiner Beziehung ab, die ich zu dem habe, der das Wort mir spricht. Kann ich ihm vertrauen?

Die Lesung aus dem Propheten Jesaja thematisiert es so. Weil es Gott ist, der da spricht, kehrt es nicht leer zurück, nicht ohne zu bewirken, was Gott will, und das zu erreichen, wozu er es ausgesandt hat. Diese wunderbare Erfahrung hatten die Menschen als erstes gemacht mit Jesus: Er redete wie einer, der göttliche Vollmacht hat, haben sie gesagt, nachdem sie ihm zugehört hatten und auch erfahren hatten, wie wirkmächtig dieses Wort war, sogar die Dämonen gehorchten ihm. Am Anfang der Sendung muss der unmittelbare Eindruck, den er machte, überwältigend gewesen sein. Die ersten Kapitel der Evangelien sind voll davon. Er ist ein Prophet, darüber war man sich schnell einig! Und tatsächlich ist es für jeden, der sich von Gott gesandt weiß, die schönste Erfahrung, gehört zu werden. Und zu erleben, wie das gehörte Wirkung zeigt, anderen Menschen zu einem anderen Lebensvollzug  hilft.

Aber es gibt auch eine andere Erfahrung, die die Propheten machen: die, dass sie nicht gehört werden, dass ihr mit Herzblut verkündetes Wort abgelehnt wird, dass sie wegen des Wortes verfolgt und vernichtet werden. Das ist eine schwere Erfahrung, und sei es nur, wie mir ein Pfarrer sagte, dass man sich fühlt wie jemand, der einen sehr kostbaren Ring verschenkt, und er wird entgegengenommen, als habe man ihn aus dem Kaugummiautomaten gezogen. Der Prophet Jesaja bekommt dies schon bei seiner Berufungserfahrung klar gesagt: „Danach hörte ich die Stimme des Herrn, der sagte: Wen soll ich senden? Wer wird für uns gehen? Ich antwortete: Hier bin ich, sende mich! Da sagte er: Geh und sag diesem Volk: Hören sollt ihr, hören, aber nicht verstehen, sehen sollt ihr, aber nicht erkennen. Denn das Herz dieses Volkes ist hart geworden. Mit ihren Ohren hören sie schwer und ihre Augen verschließen sie, damit sie mit ihren Augen nicht sehen und mit ihren Ohren nicht hören und mit ihrem Herzen nicht zur Einsicht kommen und sich bekehren und ich sie heile.“ In dem Zwischentext zwischen dem Gleichnis und der Erklärung des Gleichnisses zitiert Jesus diese Worte. Er wird also in dieses Geschick des Propheten hineingestellt. Dies ist auch seine Berufung. Und damit wird etwas verarbeitet: Nach der ersten Begeisterung um ihn flachte die Kurve der Zustimmung zu ihm bei vielen merklich ab, und es erging ihm wie anderen Propheten: er erfuhr nicht nur Zuwendung und Begeisterung, sondern auch Ablehnung. Die erste Botschaft dieses Gleichnisses ist so gesehen: Selbst, wenn es nicht nur Zustimmung gibt, und alles glatt geht und erfogreich ist, so ist es dennoch die gute Saat Gottes. Und wenn das so ist, dann ist es ein großes Glück, wenn die Saat aufgeht. „Eure Augen aber sind selig, weil sie sehen, und eure Ohren, weil sie hören! Denn, Amen, ich sage euch: Viele Propheten und Gerechte haben sich danach gesehnt, zu sehen, was ihr seht und haben es nicht gesehen und zu hören, was ihr hört und haben es nicht gehört.“

Vielleicht ist es auch wichtig, die Szenerie der Gleichniserzählung zu beachten: Es versammelte sich eine große Menschenmenge um ihn, heißt es da. Wenn Menschen zur Masse werden, dann verändert sich ihre Haltung. Dann ist der eine nur da, weil auch die anderen da sind, dann gibt es eine diffuse Erwartung, dann ist es schwer, etwas zu lernen, was eine eigene Einsicht bedeutet und das Gegenteil davon, dass man nur tut, was alle tun. Sein Wort, das er sät, geht aber an einzelne. Bloß, das ist davon unterwandert, dass die Menschen als große Menge da sind.

Wenn ich auf das Bild vom Sämann schaue, dann sehe ich, wie er sät. Natürlich, das Gleichnis hinkt, denn normalerweise achtet ein Sämann genau darauf, wohin er die Körner versenkt. Das scheint aber beim Säen des Wortes nicht unbedingt möglich zu sein. Dennoch sät er, auch wenn er weiß, dass vielleicht manches nicht ankommt. Er sät und sät, irgendwie geduldig und unermüdlich, dass bei mir vielleicht doch etwas auf guten Boden fällt. Er wünscht es jeder und jedem von uns, damit wir Früchte bringen!

Worin besteht das Wort, dass wir hören dürfen und von ihm her unbedingt sollen? DasWort das Gott spricht, ist zunächst sein Wille am Anfang des Schöpfungsmorgen, aber auch am Anfang von jeder und jedem von uns, als er spricht: Es werde … Dieses Wort besagt, dass am Anfang nicht irgendein Zufall oder eine Tragik oder sonstwas steht, sondern ein positiver Wille, so dass es Fundament unseres Selbstbewusstseins ist: Ich bin gewollt! Dies soll als Grundvertrauen tief in den Seelenboden von jeder und jedem von uns gelangen! Und dieses Wollen Gottes wird dann zu seiner Geschichte mit uns: Zu der langen Geschichte Gottes zu den Menschen, die in der Bibel von denen erzählt wird, die es erfahren haben. Da entfaltet sich das Wort und wird zu einer einmaligen wunderbaren Zuwendung: in der Geschichte des Volkes Israels, in den Propheten, bis dahin, dass die Zuwendung Gottes immer klarer und eindeutiger wird, so dass das Johannesevangelium formuliert: Das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt. Also steht vor den einzelnen Worten, die Jesus spricht, dass er selber das lebendige Wort Gottes ist. In ihm wird der ursprüngliche Wille Gottes, sein „Ich will …“, seine Zuwendung endgültig! In ihm ist das JA Gottes verwirklicht. Als er weiß, dass seine Stunde gekommen ist, findet Jesus das Bild vom Weizenkorn: „Wenn das Weizenkorn in die Erde fällt und stirbt, bringt es reiche Frucht!“ Da kommt alles zusammen: Da zeigt sich uns Gott in seiner Zuwendung. Da wird deutlich, dass er in diese Erde und in unser Herz eingesät werden möchte, damit wir Früchte bringen, vielfach, Leben ernten! Aus dem eingesäten Weizenkorn ist am Ostermorgen das Brot des Lebens geworden. Die Worte, die wir hören im Evangelium, gehört und erfahren von Menschen, die es uns übermittelt haben, werden zur realen Begegnung, wenn das Wort Fleisch wird in der Kommunion, wenn er, der Auferstandene, sich als das Brot des Lebens einsät in unser Leben. „Auf guten Boden“, so schließt Jesus seine Erklärung, „ist der Samen bei dem gesät, der das Wort hört und es versteht; er bringt Frucht – hundertfach oder sechzigfach oder dreißigfach!“