Predigt zum 7. Sonntag der Osterzeit 2020
(zum 24.5.2020) von unserem Pfarrer Vornewald
Den Ort müsste es geben!
Da kann man sich lieben lassen, wenn Du eintrittst, darfst Du Dir ganz sicher sein, dass Du gerngesehen bist, dass man sich auf Dich freut. Man kennt Deinen Namen schon, bevor Du Dich vorgestellt hast. Du musst keine Vorbedingungen leisten, man will nichts von Dir, aber alles für Dich! Hier kannst Du Dich fallen lassen, niemand schaut auch Dich, Du wirst nicht niemals bewertet, und auch nicht verglichen. Du musst nicht irgendwann die Augen aufschlagen und fragen: Ja, aber? Hier meint man es wirklich gut mit Dir. Du bist eingeladen und wirst mit offenen Armen empfangen. Du wirst ernst genommen. Und Du kannst alles loswerden, auch das, was man nun wirklich niemanden aufladen will. Du darfst auch kommen, wenn es Dir sehr schwer fällt, so zu vertrauen, wenn Du doch immer wieder Hintergedanken vermutest, weil das im täglichen Leben deine Überlebensstrategie ist. Man hat hier unendlich viel Geduld mit Dir, dass Du lernst, dass sowas hier unangebracht ist. Wirklich, hier geht es wirklich um Dich. Um Deine Sorgen, um Deine Not, Deine Ängste, aber auch um Deine Wünsche, Deine Sehnsucht, um Deine Träume! Oder einfach um Beides zusammen, denn Sehnsucht und Verzweiflung sind ja in uns wie zwei Seiten einer Medaille! Wenn Du so geliebt wirst, dann kommen Dir vielleicht Dinge aus Deinem Leben ins Bewusstsein, wofür Du Dich schämst, das Geliebtsein gibt ja immer auch die Kraft, mit sich selber ehrlich zu sein. Dann wird Dir Vergebung zugesagt, Du erfährst, dass Du noch tiefer geliebt bist als Du Dich selber lieben kannst!
Den Ort müsste es geben!
Hier geht es um nichts anderes als um Liebe. Nicht nur dass Du Dich lieben lässt, sondern dass Du liebst. Keine Angst, es wird nichts gefordert von Dir, nur, selber zu lieben macht ja noch glücklicher als geliebt zu werden. Das ist sehr sensibel, natürlich, aber Du musst keine Angst haben, hier wirst Du mit totaler Diskretion behandelt. Und der, dem Du dort begegnest, ist wirklich sozusagen absolut liebenswert, ihn zu lieben, ist das Beste, was Du tun kannst, Du gibst Dein Bestes dort, wo es wirklich hingehört. Hier wird es nicht ausgenutzt, sondern angenommen mit der zärtlichen und behutsamen Liebe, die es verdient. Dass Du liebst! Du fühlst Dich in den ein, den Du hier liebst und seine Wünsche werden Deine Wünsche! Von nun wünschst Du Dir sehnlichst, dass sein Wille geschehe, und fühlst Dich ein in seine Liebe zu allen anderen, zu jeder/jedem so, als gäbe es nur diese/n, eben wie zu Dir! Dass Du liebst. Du kannst hier all die Anderen lieben, die mit Dir leben, die Dich brauchen, wo Du Verantwortung spürst, alle, die Dir nahe sind. Und wenn Du hier die liebst, die Dir fern stehen, dann kommen sie Dir nahe. Wenn Du die Namen Deiner Mitmenschen nennst, dann reinigt sich Deine Beziehung zu ihnen, die Erinnerung an gemeinsame Erfahrungen verändern sich, Du kannst verzeihen, und das nimmt Dir den Groll und die tief in Dir eingegrabene Wut, vor der Du vermutlich selber Angst hast.
Den Ort müsste es geben!
Wenn Du dort mit anderen zusammen bist, dann werdet Ihr verbunden, dann wächst Freundschaft, auch wenn jede/jeder die Anderen in Ruhe lässt, aber aus Freiheit und Achtung und Liebe zum Anderen. Hier lernt man sich kennen als liebenswert und liebesfähig, als klein und bedürftig und zugleich als mit einer unergründlichen unschätzbar großen Würde!
Den Ort müsste es geben!
Es ist Dein Zuhause, der Ort wo Du hingehörst. Da atmet Deine Seele, und Du bist frei, es gibt keinen Zwang, keinen Druck!
Bloß, wo ist dieser Ort? Es ist kein äußerer Ort, obwohl es für ihn viele Bilder und Vergleiche gibt mit Orten, wo man glücklich ist. Und man wunderbare Häuser dafür gebaut hat, kleine und riesengroße mit Türmen, die zum Himmel ragen! Der Ort ist das Gebet! Nicht das Gebet, sondern Dein Gebet.
Die Tage zwischen Christi Himmelfahrt und Pfingsten sind die Zeit des Gebetes. Seit alters her werden sie als Einladung verstanden, es den Aposteln, den Frauen und Maria, der Mutter Jesu und seinen Verwandten nachzutun. Im Bericht der Apostelgeschichte werden die Namen aller einzeln genannt und dann heißt es: Sie alle verharrten dort einmütig im Gebet! Ihr Gebet lebt aus der Hoffnung. Sie hatten ja zu ihm aufgeblickt, wie er erhoben wurde zu Gott. Und es lebt aus dem Versprechen, dass er ihnen gegeben hatte. Er hatte eindringlich zu ihnen gesprochen, dass es gut ist für sie, wenn er geht. Denn so kommt er auf neue innere Weise zu ihnen. Nicht mehr äußerlich, sondern von innen, durch den Geist, so dass sie befähigt werden, auf die je eigene Weise in seiner Kraft dasselbe zu tun und so zu leben wie er. Um diesen Geist beten sie.
Im Evangelium werden wir in noch eine andere Wirklichkeit hineingeführt. Am Ende des langen Gesprächs am Abend vor seinem Tod betet Jesus laut. Vielleicht lohnt es, dies in einen größeren Zusammenhang zu stellen. Ganz im Anfang des Johannesvangeliums begegnet Jesus den ersten Jüngern, als die den Täufer Johannes zurücklassen, um mit ihm zu gehen. „Als er sah, dass sie ihm folgten, sagte er zu ihnen: Was sucht ihr? Sie antworteten: Meister, wo wohnst du? Er sagte ihnen: Kommt und seht! Da kamen sie mit und sahen, wo er wohnte, und blieben jenen Tag bei ihm“, heißt es wörtlich. Wenn Jesus nun laut vor ihnen betet, dann dürfen sie noch einmal anders bei ihm Zuhause sein. So wie nur Gebet das eigene Zuhause ist. Und dieses Gebet war das Letzte am letzten Abend vor seinem Tod.
Sie sind nun selber zum Gebet versammelt, nachdem sie Zeugen geworden waren, wie er in Gott heimkehrte. Vielleicht ist ihnen dabei sein Gebet neu in ihrer Erinnerung lebendig geworden. Sie hören es jetzt noch einmal neu, und es bekommt noch eine ganz andere Dimension: Sie hören sein Gebet neu als sein Gespräch in Gott, wie er für sie und für uns alle eintritt beim Vater, jetzt, wo er bei und im Vater zuhause ist. „Die Worte, die du mir gegeben hast, gab ich ihnen und sie haben sie angenommen. Sie haben wirklich erkannt, dass ich von dir ausgegangen bin und sie sind zu dem Glauben gekommen, dass du mich gesandt hast. Für sie bitte ich und für alle, die du mir gegeben hast. Denn sie gehören dir. Alles, was mein ist, ist dein. Und was dein ist, ist mein. In ihnen bin ich verherrlicht!“
Es ist ein riesiger Trost, dass er für sie und für uns betet. Und eine große Kraftquelle und Freude. Und zugleich weitet es das eigene Herz, es führt in eine große Ruhe und tiefe Geborgenheit. Und sogar noch mehr: Wenn sie um seinen Geist beten, dann bedeutet das, dass sie in diese innere Wirklichkeit des Gebetes Jesu hineingenommen werden. Denn der Geist, der geheimnisvolle Dritte in Gott, ist das, was zwischen dem Vater und dem Sohn ist, was man nur mit dem Wort Liebe irgendwie stammelnd beschreiben kann. Zwischen dem Vater und dem Sohn gibt es in Gott einen einzigen Austausch von sich lieben lassen und lieben in völliger Freiheit. Und wenn beim Erlauschen seines Gebetes wir in den liebenden Austausch in Gott Einblick bekommen, dann hören wir, dass es in Gottes liebendem Austausch um uns geht. Dieses In Gott sein soll die Jünger und mit ihnen uns erfüllen, dass wir wie Jesus, in derselben Beziehung zum Vater selber Töchter und Söhne werden und untereinander die eine Familie Gottes. Ein neues Zuhause, das in Gott ist. Es geht nur darum, sich lieben zu lassen und selber zu lieben. Wenn es heißt, dass Jesus sagt, dass er in uns verherrlicht ist, dann kann dies sich erschließen, indem man sich bewusst macht, dass Herrlichkeit erfüllte Sehnsucht ist. So gesehen sind wir die Sehnsucht Gottes, lange bevor wir uns nach ihm sehnen. Und diese Sehnsucht erfüllt sich in Jesus. „Die Herrlichkeit Gottes,“ so hat ein Papst des Altertums gesagt, „ist der lebendige Mensch!“
Das sind sehr intime Worte und Gedanken, und doch haben sie eine große Tragweite. Denn am Geliebtwerden jeder/jedes Einzelnen und lieben können hängt doch unser ganzes Leben und das Zusammenleben. Hängt das Lebensglück jeder/jedes Einzelnen ab und der Weltfriede zugleich. Wehe, wenn Menschen das nicht erfahren. Wenn sie davon nicht geprägt und befreit werden zu sich und zu anderen. Wenn wir nicht in unserem Miteinander werden, was wir schon seit der ersten Schöpfung sind: Ebenbild Gottes, wenn wir einander wie Gott uns lieben lassen und lieben und so einander Zuhause werden, in dem geheimnisvollen dritten zwischen uns, dem Heiligen Geist! Um diesen Geist beten wir: Komm, Du Geist Gottes, erfülle uns mit Deiner Liebe und das Angesicht der Erde wird neu!