Herzlich Willkommen

Predigt zum Aschermittwoch 2021

von unserem Pfarrer Vornewald

Evangelium Mt. 6,1-6.16-18

Dein Vater, der das Verborgene sieht, wird es dir vergelten

Aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus.

In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern:

Hütet euch,

eure Gerechtigkeit vor den Menschen zu tun,

um von ihnen gesehen zu werden;

sonst habt ihr keinen Lohn

von eurem Vater im Himmel zu erwarten.

Wenn du Almosen gibst,

posaune es nicht vor dir her,

wie es die Heuchler in den Synagogen und auf den Gassen tun,

um von den Leuten gelobt zu werden!

Amen, ich sage euch:

Sie haben ihren Lohn bereits erhalten.

Wenn du Almosen gibst,

soll deine linke Hand nicht wissen, was deine rechte tut,

damit dein Almosen im Verborgenen bleibt;

und dein Vater, der auch das Verborgene sieht,

wird es dir vergelten.

Wenn ihr betet,

macht es nicht wie die Heuchler!

Sie stellen sich beim Gebet

gern in die Synagogen und an die Straßenecken,

damit sie von den Leuten gesehen werden.

Amen, ich sage euch:

Sie haben ihren Lohn bereits erhalten.

Du aber, wenn du betest, geh in deine Kammer,

schließ die Tür zu;

dann bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist!

Dein Vater, der auch das Verborgene sieht,

wird es dir vergelten.

Wenn ihr fastet,

macht kein finsteres Gesicht wie die Heuchler!

Sie geben sich ein trübseliges Aussehen,

damit die Leute merken, dass sie fasten.

Amen, ich sage euch:

Sie haben ihren Lohn bereits erhalten.

Du aber, wenn du fastest, salbe dein Haupt

und wasche dein Gesicht,

damit die Leute nicht merken, dass du fastest,

sondern nur dein Vater, der im Verborgenen ist;

und dein Vater, der das Verborgene sieht,

wird es dir vergelten.

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Asche auf mein Haupt! Das sagt man, wenn man etwas zugeben will, wenn man sein eigenes Versagen, seine Mitschuld an einer Sache anerkennt! Ja, das war ich! In diesem Jahr, wo es aus Schutz vor Übertragung des Corona Virus für viele Dinge eine Schutzanordnung gibt, haben wir von einem Mitarbeiter unseres Bischof eine Anordnung bekommen, wie die Spendung des Aschenkreuzes ohne direkten Kontakt durchgeführt werden soll. Dabei hat man sich an die ganz alte Form der Aschensymbolik zurückbesonnen. Es gab die Weise, dass man sich zum Zeichen der Buße Asche in Kreuzform auf seinen Kopf streute. Ich habe das erst einmal erlebt bei einem älteren Priester, der parkinsonkrank war. Es war erschütternd und auch etwas befremdlich, wie er sich mühselig mit der erhobenen Hand ein großes Kreuz aus Asche selber auf seinen Kopf malte. So soll der Empfang der Asche vollzogen werden und damit der Beginn der vorösterlichen Bußzeit begonnen werden. Interessant, dass diese Geste noch so verwurzelt ist, dass es sich bis in eine Redewendung eingegraben hat.

Asche auf mein Haupt! Auch wenn viele vielleicht gar nicht die Möglichkeit haben, heute sinnlich ein Aschenkreuz zu empfangen, so möchte ich Euch doch einladen, in Gedanken vorzutreten und den Kopf zu senken: Asche auf mein Haupt! Wobei ich nicht weiß, ob das ohne eine Vorbemerkung jedem von uns gut tut. Ich habe einen Verwandten, der in einem kirchlichen Internat aufgewachsen ist und nach den dort gemachten Erfahrungen Berührungen mit dem kirchlichen Leben meidet. Wenn er dann mal in einem Gottesdienst ist, so hat er mir erzählt, dann zählt er, wie oft das Wort Sünde vorkommt … Ich bin ihm dankbar, dass er mir das berichtet hat. Es macht mich nachdenklich! Es gibt eine Reihe Menschen, die durch den kirchlichen Umgang mit Sünde so etwas wie geistlichen Missbrauch erlitten haben. Es wurde mit dem Begriff und dem, was damit verbunden ist, ein schlechtes Gewissen gemacht und darüber Macht ausgeübt über einen Menschen im Namen Gottes. Dabei wurde in die Persönlichkeit eingegriffen und Menschen manipuliert. Ja, es gibt so eine Art frommes Bewusstsein, wo man umso besser ist, je mehr man sich schlecht fühlt. Dass damit Menschen ihr Selbstwertgefühl und ihre Lebensfreude beschädigt und sogar zerstört wurden, ist eine schlimme Wahrheit über die Lebenspraxis der Kirche. Wenn bei jemand der Satz „Asche auf mein Haupt“ wie eine Aufforderung klingt, wieder in diese Sackgasse einzubiegen, dann bitte ich ausdrücklich: Hör nicht drauf, tu es nicht! Deine Schuldgefühle sind vermutlich etwas ganz anderes wie Deine wirkliche Schuld! Eine Frau hat mir erzählt, dass einer meiner Vorgänger zu ihr gesagt hat: „Es gibt kein schlechtes Gewissen, sondern nur ein Gewissen!“ Ich füge hinzu: Schlechtes Gewissen und Gewissen sind zwei Dinge, die nicht viel miteinander zu tun haben. Versuche bitte, Dir eingebläute Schuldgefühle zu unterscheiden von dem, wo Du wirklich schuldig geworden bist durch Mangel an Liebe, Feigheit, Trägheit, Gewalttätigem in deiner Sprache und Deiner Haltung … u.v.m. Vielleicht hilft es zur Unterscheidung: Schuldgefühle zerstören das eigene Selbstbewusstsein, das Wahrnehmen wirklicher Schuld ist dagegen Ausdruck von einem echten Bewusstsein der eigenen Würde, die immer auch mit eigener Verantwortung zu tun hat.

Das Evangelium für den heutigen Aschermittwoch meint dies: Ver-antwort-ung übernimmt man aus einer Beziehung heraus, um jemand zu antworten. Ich gebe Antwort auf eine Zuwendung. Genau aus einer solchen Haltung sollen wir leben, wenn dreimal wörtlich gesagt wird: „Dein Vater, der auch das Verborgene sieht, wird es dir vergelten!“ Dein Vater! Gemeint ist der Vater, von dem Jesus redet! Von dem wir glauben dürfen, dass er uns als seine Töchter und Söhne angenommen hat. Dass er auch das Verborgene sieht, ist leider auch so ein Haken. Es ist ebenfalls etwas, mit dem geistlicher Missbrauch getrieben wurde: Ein Auge ist, das alles sieht … und man bekommt suggeriert, dass man unter ständiger Kontrolle ist, der man nicht entrinnen kann. Bei dem Vater von Jesus bedeutet es aber, dass er uns ansieht, dass er auf uns achtet, dass wir bei ihm Ansehen haben! Und dass er nichts vergisst: Er wird es Dir vergelten: Wenn Du auf Gott setzt, dann kannst du auf ihn rechnen. Verantwortung übernehmen, zu sich selber stehen, könnte man so übersetzen: Stell dich wieder neu in diese Beziehung, so dass du als Kind Gottes lebst und nicht nur als Kind deiner Zeit. Und damit deiner Umstände, deiner Lebensgeschichte, deiner Prägungen. Die Umstände, die gemachten Erfahrungen und die daraus resultierenden Prägungen kannst du nicht oder wenig verändern. Da gibt es eine lange Geschichte der Tragiken, von Generation zu Generation, von Mensch zu Mensch. Und niemand kommt aus diesem Flow heraus. Und das schlimme ist, dass wir dabei einander verletzen. Und aus dieser Verletztsein nicht die Kraft haben, nicht dasselbe zu tun, nicht wieder zu verletzen, selber auch zu versagen …Wir können nur versuchen, uns einzufühlen, uns zu verstehen gegenseitig. Und mitten in dieser Dynamik gibt es das, was man persönliche Schuld nennt. Dass dies der der oder die Andere bei mir spürt, ist ja die Verletzung. Die kann keine oder keiner von uns bei anderen ermessen, weil wir alle drunter stehen und keiner drüber, weil wir alle Teil der Tragik sind. Das kann nur Gott, dein, unser Vater, der auch das verborgene sieht. Und doch ist die eigene Schuld real, und wirkt sich aus. Dass er das Verborgene sieht, muss keine Angst auslösen, sondern ist ein Bild für unsere Würde, die gläubig gesehen gottunmittelbar ist: Dein Vater! Gerade weil dieser Vater so gütig und zärtlich ist und wie auf den ihm verlorengegangenen Sohn so auch auf dich und mich wartet, gerade deswegen formt es unser Gewissen! Und gibt uns die Einsicht, wo wir dieser unglaublichen Zusage nicht geantwortet haben, so dass wir aus der Logik der Tragik heraustreten und zu dem stehen, was wir zu verantworten haben. Denn wir sind Kinder Gottes, nicht nur unserer Zeit. Ja, es ist die Rede von der Freiheit der Kinder Gottes!

Ich lade ein, in diesem Sinn den Kopf zu neigen: Asche auf mein Haupt! Und mit dieser Geste in die vorösterliche Bußzeit zu gehen. Wenn Bußzeit bedeutet, diese Beziehung zu leben, dann muss auf das geschaut werden, was diese Beziehung ausmacht: Die Taufe. Die Taufe ist genau diese Zusage, aber nichts magisches, sondern auch ein Lebensprozess. Gott zum Vater haben bedeutet, aus Gott geboren zu sein. Dafür aber muss der alte Mensch sterben, mit seinem Hängen an der eigenen Tragik, mit seinen Ängsten zu kurz zu kommen, mit seinen Lügen. So, dass wir nicht mehr nur Kinder unserer Zeit sind, sondern Kinder Gottes. Das eigene Mühen daran nennt man Buße. Im Evangelium werden drei Dinge der Buße genannt: Das erste ist Almosen geben, wir sollten besser sagen: Teilen. Und dein Vater, der auch das verborgene sieht, wird es dir vergelten! Das zweite ist Gebet: Und dein Vater, der auch das verborgene sieht, wird es dir vergelten! Das dritte ist Fasten: Und dein Vater, der auch das verborgene sieht, wird es dir vergelten! Die Bußzeit läuft auf Ostern zu. In der Osternacht sind wir eingeladen, unser Taufbewusstsein zu erneuern. Teilen, jede und jeder muss sehen, was das bedeuten kann für Dich, besser, welche Menschen Deine Hilfe, Dein Geld oder Deine Zeit brauchen, denn wir haben gemeinsam diesen Vater! Beim zweiten Teil ist etwas weggelassen. Genau in diesem Zusammenhang schenkt Jesus seinen Freunden das Vater Unser: Wenn ihr betet, dann sprecht einfach mit diesen Worten, dass Ihr beten und leben lernt wie ich. Und dann ist Fasten eine Weise der Buße, damit wir freier werden, uns loslösen aus Abhängigkeiten. Manchmal ist dabei ganz wenig ganz viel. Ein Mann ist an jedem Tag eine halbe Stunde eher aufgestanden, so konnte die ganze Familie am Morgen gemeinsam frühstücken … Ostern ist die Erfahrung, dass die Liebe, diese Liebe alles Dunkel, Einsamkeit, ja alles Böse, allen Fluch überwinden kann: Sieh zu, dass das nicht spurlos an Dir vorbeigeht!