Herzlich Willkommen

Predigt zum 1. Fastensonntag 2021

von unserem Pfarrer Vornewald

Was hat Jesus eigentlich gemacht, nachdem er von Johannes getauft worden war? Er hatte gesehen, wie der Himmel sich öffnete, der Geist auf ihn herabkam und eine Stimme hatte zu ihm gesprochen: Du bist mein geliebter Sohn, an Dir habe ich Gefallen gefunden! Was macht er danach? Im Markusevangelium gibt es nur zweimal, dass wir die Stimme Gottes hören. Das erste Mal ist hier! „Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Gefallen gefunden!“ Was hättest du, was hätte ich gemacht? Umwerfend, ein unvorstellbares Glück, es ist zu groß, als dass Du es fassen kannst. Jesus macht etwas ganz logisches. Er lässt sich vom Geist, den er ja gerade empfangen hatte, treiben. Es heißt wörtlich: Danach trieb der Geist Jesus in die Wüste. Gibt es eine bessere Antwort? Er nimmt das Geschenk an. Vielleicht so wie ein Kind, dass gleich auspackt und augenblicklich anfängt, damit zu spielen. Der Geist, der wie eine Taube auf ihn herabgekommen war, übernimmt das Kommando, könnte man sagen. Jesus nimmt das Geschenk an, indem er den Inhalt des Geschenks wirklich werden lässt. Er lässt sich führen! Was sollte er auch besseres tun?

Das kann befremdlich klingen. Wer geht schon freiwillig in die Wüste? Das ist ein lebensfeindlicher Ort, sehr lebensfeindlich. Die judäaische Wüste hat eine sehr große Hitze, es gibt kein Wasser, ich erinnere mich, als ich mit dem Fahrrad dort durchgekommen bin, dass das Schlimmste war, dass es keinen Strauch, keinen Baum und damit keinen Schatten gibt. Die Wüste Judäas ist ein Steinwüste, sie besteht aus Geröll. Die Steine sind heiß. Und es ist gefährlich. Ich wurde ausdrücklich gewarnt von einigen Nomaden, dass es gefährlich sei wegen der Tiere, dort zu übernachten. Dorthin treibt der Geist Jesus, der Geist, der die innerste Wirklichkeit von der Liebe ist, die aus dem Satz sprach: Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Gefallen gefunden!

Wie es Jesus wohl 40 Tage lang in der Wüste ergangen ist? Eine merkwürdige Zusammenkunft von Gefährdung und innerer Not und zugleich Geborgenheit und Sicherheit scheint der Text zu berichten. Da ist der Satan, der ihn in Versuchung führt und da sind die wilden Tiere, bei denen er lebt, aber da sind auch die Engel, die ihm dienen. Was kann ihm Besseres passieren als eine solche Hilfe? Vermutlich erinnert Ihr Euch an die Erzählung in den anderen beiden Evangelien, wo die Versuchung durch den Satan viel ausführlicher berichtet wird. Was bei allen Evangelien gleich ist, ist der Bericht der Taufe, dass Jesus direkt danach vom Geist in die Wüste geführt wird und dort vierzig Tage lang bleibt.

Ich glaube, man kann es so beschreiben: er liefert sich aus, ganz, ohne Hintertür, ohne Rückhalt. Nichts, was ihn trösten kann, nichts, was ihm Freude macht an äußerem, die Wüste ist eine unwirtliche, gefährliche Welt. Aber er weiß, dass er der geliebte Sohn ist, dass Gott an ihm Gefallen hat. Es ist fast so, als wollte er diese Zusage ausprobieren. Und nach dieser Zeit? Vielleicht war die Zusage nun nicht mehr nur etwas, was er gehört hat, er hat sie erfahren. Als innere Stimme des Gewissens in den Anfechtungen durch den Satan, als den Gott, der als Vater ihm Hilfe gibt, ihn beschützt wie seinen Augapfel. Ja, wenn es der Geist war, der ihn getrieben hat, dann war die Wüste der Ort, wo er Gott nahe sein sollte. Der Geist ist doch Gott, der bis in unser Innerstes gelangen kann. Jedenfalls beginnt für Jesus nun etwas ganz neues. Er hat eine Botschaft, er kommt aus einer Wirklichkeit, die etwas ganz neues und vorher unvorstellbares bedeutet. Es sind seine ersten Worte, die uns im Markusevangelium überliefert sind: „Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um und glaubt an das Evangelium!“ Hat das nicht doch auch mit den vierzig Tagen zu tun, dass er so sprechen kann. Man hat gemeint, alles weitere, was über Jesus im Evangelium berichtet wird, sei Entfaltung dieser ersten Worte, es sei hier schon alles enthalten.

Was tust du/tun Sie in dem Bewusstsein, getauft zu sein? Ich erinnere mich an eine schwer psychisch belastete Frau, die sich jahrelang vorbereitet hatte und immer wieder gefragt hatte: Soll ich oder soll ich nicht? Dann bei ihrer Taufe hat sie gezittert vor Erregung, aus Freude, wie sie nachher sagte. Leider haben die meisten von uns die Taufe nicht bewusst erlebt. Das heißt aber nicht, dass man davon kein Bewusstsein hat. Mir ist irgendwann mal der Gedanke gekommen, dass lange bevor ich etwas dazu tun konnte, mir schon am fünften Tag meines Lebens Gott seine ganze Zusage gemacht hat, so dass ich dasselbe glauben darf für mich, was uns von Jesus berichtet wird: Der Himmel hat sich über mir geöffnet, der Geist ist in mein Leben gekommen und eine Stimme hat gesprochen: Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Gefallen gefunden! Im Alter des Bewusstseins haben wir dann die Firmung empfangen, bei mir leider nur als ein Nebenbeiereignis, dem man nicht viel Bedeutung beigemessen hat. Dort hat der Bischof gesagt, nachdem er deinen/meinen Namen genannt hatte: Empfange die Gabe Gottes, den Heiligen Geist!

Jede und jeder von uns hat also Grund, genauso wie Jesus sich vom Geist Gottes führen zu lassen, die Zügel aus der Hand zu legen, mich los zu lassen. Ich lade ein, sich die Frage stellen zu lassen: Kann ich Gott vertrauen, von ihm her und von mir her!

Jesus wurde vom Geist in die Wüste getrieben, vierzig Tage lang. Wir sind eingeladen, dies nachzuvollziehen! Heute heißt es im Gebet zum Tag: „Du schenkst uns die heiligen vierzig Tage als eine Zeit der Umkehr und Buße. Gib uns durch ihre Feier die Gnade, in der Erkenntnis Jesu Christi voranzuschreiten.“ In den Präfationen zur vorösterlichen Bußzeit heißt es: „Jedes Jahr schenkst du deinen Gläubigen die Gnade, das Osterfest in der Freude des Heiligen Geistes zu erwarten!“ und in einer anderen: „Jetzt ist die Zeit der Gnade, jetzt sind die Tage des Heils!“ Wir könnten also sagen: Wir sind eingeladen, mit Jesus uns vom Geist treiben zu lassen in die Wüste 40 Tage lang! Vielleicht tut es den kirchlich Erprobten gut, dass als Motiv für diese besondere Zeit zunächst nicht die Rede Vorsätzen, denen man nachjagen muss, um etwas zu erbringen. Nein, wir treten hinaus aus manchen gewohnten Alltäglichkeiten, lassen Fragen des Geistes zu, stellen uns unseren Versuchungen und dürfen auf die Kraft des Geistes vertrauen. Vielleicht so, dass wir uns fragen: Welche Dinge in unserem Leben passen nicht zu der Aussage, die Gott uns geschenkt hat: An Dir, meiner geliebten Tochter, an Dir, meinem geliebten Sohn, habe ich Gefallen gefunden? Und dann versuchen, sie zu ändern, aber aus der ganz positiven Zusage Gottes. Einfach, weil diese großartige Zusage mich treibt zu werden, was ich bin: Eine Tochter, ein Sohn Gottes, an dem er Gefallen gefunden hat! Oder ganz einfach gesagt: An der, an dem Gott seine Freude haben kann! Und dann dürfen wir uns vom Geist treiben lassen zu Wüstenerfahrungen, die Verzicht, Überwindung und unangenehme Einsichten durchaus einschließen. Und das mitten im Lockdown, er ist in diesem Jahe Teil der Wüste. Was das im Einzelnen für Dich bedeutet, was es dich kostet, das wird dir der Geist zeigen. Dich kostet: Ja, es geht um ganz kostbare Dinge, die dir geschenkt werden sollen: um erfüllte Zeit, um den offenen Himmel über dir (das Reich Gottes ist nahe), neue Einsichten, so dass du neu denken und leben kannst (kehrt um) und Vertrauen lernst (glaube an das Evangelium). Das geht nur im Learning by doing! Nach dem Gebetstext leben wir dabei in einer großen Erwartung: das Osterfest zu erwarten in der Freude des Heiligen Geistes. Denn wir sind eingeladen, in der Osternacht, wo die Finsternis überwunden ist, das Leben den Tod besiegt hat und damit deine Angst sich verwandeln kann in tieferes Vertrauen, aufrecht stehend mit dem Lebenslicht Deiner Taufe in der Hand zu sagen: Ich widersage, ich glaube! Bis dahin ist es noch ein weiter Weg, 40 Tage lang, lassen wir uns drauf ein!