Herzlich Willkommen

Predigt zum 13.06.2021

von unserem Pfarrer Christian Vornewald

Hier können Sie sich die Predigt anhören

Aus dem heiligen Evangelium nach Markus.

In jener Zeit

sprach Jesus zu der Menge:

Mit dem Reich Gottes ist es so,

wie wenn ein Mann Samen auf seinen Acker sät;

dann schläft er und steht wieder auf,

es wird Nacht und wird Tag,

der Samen keimt und wächst

und der Mann weiß nicht, wie.

Die Erde bringt von selbst ihre Frucht,

zuerst den Halm,

dann die Ähre,

dann das volle Korn in der Ähre.

Sobald aber die Frucht reif ist,

legt er die Sichel an;

denn die Zeit der Ernte ist da.

Er sagte:

Womit sollen wir das Reich Gottes vergleichen,

mit welchem Gleichnis sollen wir es beschreiben?

Es gleicht einem Senfkorn.

Dieses ist das kleinste von allen Samenkörnern,

die man in die Erde sät.

Ist es aber gesät,

dann geht es auf

und wird größer als alle anderen Gewächse

und treibt große Zweige,

sodass in seinem Schatten die Vögel des Himmels nisten können.

Durch viele solche Gleichnisse verkündete er ihnen das Wort,

so wie sie es aufnehmen konnten.

Er redete nur in Gleichnissen zu ihnen;

seinen Jüngern aber erklärte er alles,

wenn er mit ihnen allein war.

Evangelium unseres Herrn Jesus Christus

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Wir haben das all inclusive sorglos Paket gebucht. Wir brauchen uns um nichts zu kümmern. Alles geschieht automatisch. Nein nein, lass mich mal ruhig noch ein Auge drauf werfen. So so, Du kannst es also besser als der liebe Gott? Mag ja sein, Vertrauen ist gut, aber Kontrolle ist besser! Das haben wir doch noch immer so gemacht! Aber fahren wir damit gut?

Es ist richtig, Kontrolle gehört zum verantwortlichen Tun dazu, und man kann nur dankbar sein, wenn jemand wach und mit offenen Augen durchs Leben geht, wenn er die verschiedenen Funktionen z.B. einer Anlage im Blick behält, wenn jemand vorausschauend und besonnen Auto fährt, Entwicklungen z.B. der eigenen Kinder im Blick hat, wenn der Brückenbau aus Beton regelmäßig gründlich nach Rissbildung überprüft wird, wenn jemand persönlich dafür bürgt, dass alles in Ordnung ist, und sich auch das nötige Sachwissen erwirbt, um verantwortlich handeln zu können! Das war und ist gefragt im Umgang miteinander z. B. auch angesichts der Gefahren in einer Pandemiezeit. Wenn ich da konsequent bin, dann ist das vertrauenswürdig gegenüber den Menschen, mit denen ich zusammenlebe. Ich war da sehr dankbar für andere, die auf sich und auf mich geachtet haben! Nur wenn wir uns bemühen, in unseren Bereichen unsere Hausaufgaben zu machen, kann Vertrauen wachsen, Wachsamkeit und Kompetenz ist immer auch beständige Zuwendung zu anderen. Und wenn ich es ablehne, Verantwortung zu übernehmen in Bereichen, wo ich wenig Ahnung habe, so ist das verantwortlich! Nur aus Verantwortung kann Vertrauen wachsen. Eine Frau, mit der ich eine längere Autofahrt gemacht habe, war tief verängstigt. Als wir dann über die Autobahn fuhren, ist sie eingeschlafen. Ich habe das als einen großen Vertrauenserweis verstanden. Wir brauchen Vertrauen, um gut leben zu können. Und es ist schlimm, wenn jemandes Vertrauen missbraucht wird. Denn wenn es nicht möglich ist zu vertrauen, dann bleibt nur die Wachsamkeit und die wird zur Angst. Und in der Angst muss ich mich verteidigen. Und je persönlicher ein Vertrauensbruch erfahren wird, desto grundlegender entfalten sich Ängste, letztlich ist dann die Angst da, nichts wert zu sein. Was für ein Geschenk ist es, wenn jemand Verantwortung erfahren hat, zuverlässiges Handeln, wenn jemand erfahren durfte, dass es einer oder einem anderen wirklich um mich ging und geht. So gesehen ist Kontrolle tatsächlich besser! Weil sie Vertrauen aus sich erschafft!

Mich hat es tief beeindruckt, als ich entdeckt habe, dass im Reich Gottes Gleichnis, das heute unser Evangelium ist, im griechischen Text das Wort „automate“ vorkommt. Die Erde bringt von selbst ihre Frucht, wird das übersetzt, automate macht das die Erde. Der Bauer kann ruhig schlafen und wieder aufstehen, er muss sich darum keine Sorgen machen, er kann dem, was er gesät hat, seinen Lauf lassen, er muss sich nichts kümmern, alles geschieht automate! Und wenn Jesus ein naturhaftes Geschehen zum Gleichnis erklärt für das Reich Gottes, für sein Verfügen, dann wird das personal. Der Bauer kann also erfahren, dass sich jemand um ihn und um alle, die bei ihm sind, kümmert. Und es heißt ausdrücklich, dass er nicht weiß wie. Sein Vertrauen ist also einen Aspekt von blind. Das Gleichnis ist so eine Einladung zu vertrauen. Der Bauer verlässt sich darauf, weil er es aus seiner Erfahrung weiß, dass es so geht, dass er keine Sorgen und keine Angst haben muss. Und das bei etwas, was existentiell notwendig, für sein Überleben von Belang ist. Er hat gesät, er will also, dass Früchte kommen. Gott macht das seine! Kann ich so leben? Nicht verantwortungslos, aber tiefer als alle Kontrolle loslassen und vertrauen, es dem Lauf Gottes überlassen. Ich muss nicht alles festhalten und mich in meinen Fantasien mir immer wieder die Katastrophen ausmalen, die kommen könnten. Und dabei wie der Bauer ruhig schlafen! Wie schon gesagt: das all inclusive sorglos Paket, alles wesentliche geschieht automate! Jede und jeder von uns möge die Worte betrachten: Wenn Ihr nicht werdet wie die Kinder, könnt ihr nicht in das Reich Gottes gelangen! Um das Gottesreich geht es in diesem Gleichnis!

Ich glaube, dafür braucht es Erfahrungen! An eine solche Erfahrung habe ich vorgestern und gestern denken müssen. Am Freitag war das Herz Jesu Fest, ich muss dann immer daran denken, wie ich das im Jahr 2007 erfahren habe. Da war ich in Jericho angekommen und es war nicht mehr weit bis zu meinem großen Pilgerziel, noch 25 km und 1200 Höhenmeter, dann würde ich nach Jerusalem kommen! Von mir bis zu Dir, das war mein Leitmotiv, das in mein Herz gesät war, das mich von Anfang an begleitete. In Tschechien hatte ich auf dem Fahrrad das Jerusalemlied gesungen und bekam Zweifel: Du bist verrückt, so weit, immer so schwer, und durch was für Regionen, das schaffe ich nie. Eine Zeit später kam ich in eine riesige Kirche. Sie war nur bis zum Gitter ganz hinten zugänglich. Also habe ich in die Kirche hinein gesungen. Mit einem Mal sah ich ganz vorne am Hochaltar ein Kreuz mit Corpus. Mir wurde klar: er hört mich schon. So konnte ich weiter. Zwei Ferien später, am Tag nach dem Herz Jesu Fest bin ich dann tatsächlich bis nach Jerusalem gekommen. Ich bekam ein Quartier. Gegen Abend bin ich dann ziellos durch Jerusalem gelaufen. Und nun wurde ich geführt! Ich sah eine Kirche, ich wusste, dies ist die Grabeskirche. Ich ging hinein. Direkt vor mir machten gerade die Franziskaner eine Prozession. Sie liefen eine schmale Treppe hinauf. Ich bin gefolgt. Wir kamen zu einem Altar. Mir wurde bewusst, dass dies Golgotha ist, der Ort der Kreuzigung. Ich bin dort geblieben, lange habe ich gehockt. Von mir bis zu Dir hatte ich gewollt. Jetzt hörte ich, was ich so oft auf meinem Weg gehört hatte: You are welcome! Das kann selbst jemand, der eigentlich aramäisch spricht. Natürlich hatte ich unterwegs jeden Tag für mich gesorgt, war vorsichtig im Straßenverkehr, hatte meine Sachen beschützt, als eine große Romafamilie mein Fahrrad umstand, hatte alle drei Tage alle Schrauben am Fahrrad geprüft. Jetzt war alles automate gewesen, ein einziger großer Erweis, ich kann vertrauen. Und heute staune ich am meisten darüber, dass ich unterwegs nie aufgehört habe. Das ist meine Vertrauenserfahrung: und Sie, Du? Vielleicht die eigene Ehe, besser: der Ehepartner, die Kinder, eine Sache, die Du schon lange verfolgst?

Jesu setzt im Evangelium noch etwas obendrauf: Im nachfolgenden Gleichnis vom Gottesreich erzählt er davon, dass die Saat so klein ist, und die Ernte unermesslich größer. Bei mir gibt es ebenfalls ein nachfolgendes Gleichnis: Als ich von meinen Pilgertouren erzählte, hat eine Frau gefragt, ob man sowas nicht auch gemeinsam machen kann. Daraufhin sind wir als Gruppe losgefahren, jedes Jahr wollten wir eine Woche lang weiter, zuerst zu dritt, dann mit zwölf Personen, dann mit neunzehn, dann mit dreiundzwanzig. Inzwischen nach 17 Jahren sind schon 5 Gruppen angekommen, dreimal in Santiago, einmal in Trondheim und einmal am Mont-St.-Michel. und noch drei weitere unterwegs. Was da wächst, wird größer als je gedacht. Ich hoffe, dass Sie, dass Ihr ähnliches erfahren habt in Eurem eigenen Leben. Was war bei meinem Gleichnis das Senfkorn? Das war die junge Frau, die mir berichtet hatte, dass sie in Le Puy aufgebrochen war, allein, ohne Geld. Sie ist 93 Tage unterwegs gewesen, bis nach Santiago de Compostela, jede Nacht ein Dach über dem Kopf. Viereinhalb Jahre später bin ich gestartet zum Pilgern. Sie war die Initiation. Ihre Frage war: Kann ich Gott vertrauen, von ihm her, von mir her!