Predigt zum Dreifaltigkeitssonntag 2021
von unserem Pfarrer Christian Vornewald
Aus dem Evangelium nach Matthäus
In jener Zeit
gingen die elf Jünger nach Galiläa
auf den Berg, den Jesus ihnen genannt hatte.
Und als sie Jesus sahen,
fielen sie vor ihm nieder,
einige aber hatten Zweifel.
Da trat Jesus auf sie zu
und sagte zu ihnen:
Mir ist alle Vollmacht gegeben im Himmel und auf der Erde.
Darum geht
und macht alle Völker zu meinen Jüngern;
tauft sie
auf den Namen des Vaters und des Sohnes
und des Heiligen Geistes
und lehrt sie,
alles zu befolgen, was ich euch geboten habe.
Und siehe,
ich bin mit euch alle Tage bis zum Ende der Welt.
Evangelium unseres Herrn Jesus Christus
Dass man Initiativen gut vorbereiten muss, leuchtet den meisten ein. Aber bleibt auch Zeit, das miteinander Gelebte und Erlebte gut nachzubereiten? Wie war der Verlauf, wer hat welche Position vertreten, wer hat wie gesprochen und agiert, welche Signale wurden gesetzt, um was ging es vordergründig und um was hintergründig? Wenn diese Pandemie mal vorbei ist, werden wir Gründe haben, um Vergebung zu bitten, hat ein Politiker im letzten Jahr gesagt. Lehren ziehen, Ergebnisse sichern und den Gewinn oder auch Verlust wahrnehmen, der sich aus einer Begebenheit ergibt, das gehört zum verantwortlichen Tun dazu.
Nachbereiten, das wird auch im Jahreskreis des liturgischen Kalenders zu einer wichtigen Aufgabe! Am letzten Sonntag war das Pfingstfest und damit der Abschluss des großen Festkreises, die Vollendung des Ostergeheimnisses. Von jetzt an ist die liturgische Farbe grün. Für mich hat das miteinander zu tun. Denn grün ist in der Farbfolge zwischen gelb und blau, gelb steht für Licht und blau für Wasser. Wenn Licht (und damit Wärme) und Wasser zusammenkommen, dann wächst es in der Natur, und das Wachsen ist intensiv grün, wie man in diesen Tagen eindrucksvoll erlebt. Licht und Wasser sind aber auch die entscheidenden Ostersymbole. Ich schließe daraus: das, was wir an Ostern begangen und gefeiert haben, soll sich nun entfalten, es soll wachsen in uns. Davon erzählen die grünen Gewänder. Am Ende des Weinstockgleichnisses, in dem auch das neue Gebot der Liebe gegeben wird, einander zu lieben, wie er uns geliebt hat, heißt es: „Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und dazu bestimmt, dass ihr euch aufmacht und Frucht bringt und dass eure Frucht bleibt!“ Ich habe euch erwählt, das ist die Botschaft der großen Festzeit, nun geht es darum, dass die Bestimmung sich entfaltet, dass wir uns aufmachen und Frucht bringen, bleibende Frucht! Das geht nur, wenn wir das Licht aufnehmen und Wurzeln treiben zu dem Lebenswasser, wenn wir uns darauf einlassen. Wachsen ist ein Prozess, deshalb ist auch die grüne Zeit der Liturgie die längste im Jahreskreis. Das andere Wort ist dabei auch ganz wesentlich: „Mein Vater wird dadurch verherrlicht, dass ihr reiche Frucht bringt und meine Jünger werdet!“ So wie die Natur jetzt mit allen Fasern etwas vermittelt von der Herrlichkeit Gottes, so sollen wir zur Verherrlichung Gottes wachsen, sollen die Herrlichkeit Gottes widerspiegeln, Anlass sein für Annahme, dass Gott herrlich ist! Was für eine Bestimmung! Und wenn es auf den ersten Seiten der Bibel heißt, dass Gott den Menschen als Abbild Gottes schuf, kann man auch sagen: Was für eine Verwirklichung unseres Selbst!
Das wird nicht gehen, wenn wir nicht nachbereiten, was die Begegnung mit sich gebracht hat, die wir in der Festzeit empfangen haben, erlebt haben! Vielleicht kann man es so erklären: Am Freitag durfte ich dabei sein, wie ein Mann per whatsapp mitgeteilt bekam, dass er soeben Opa geworden ist. Wir haben dann spontan eine Flasche Sekt geköpft und angestoßen. Und wir hatten verschiedenste Gründe: Auf den strammen Jungen, der das Licht der Welt erblickt hatte, auf die Tochter unseres Freundes, die unglaubliches zustande gebracht hatte sozusagen, dann auf die Eltern gemeinsam, dann auf den sichtlich bewegten Opa und natürlich auf die Oma und dann auf uns, die wir gerade zusammen sind und dies erleben dürfen. Da schmeckte sogar alkoholfreier Sekt! Schließlich musste der Opa noch nach Hause gefahren werden!
Wir müssen auf das Osterfestgeheimnis anstoßen! Dafür dienen drei Feste, die wir direkt nach Pfingsten feiern! Sie sind als Grund zur Freude im langen Gang durch die Jahrhunderte entdeckt worden. Zum ersten: Wir sagen nicht mehr nur: Im Namen Gottes, wir sagen: Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Das ist ein Fest wert, das Dreifaltigkeitsfest! Zum zweiten: Wir erinnern uns nicht nur an ihn, er wird immer wieder wirklich in unserer Mitte und wir empfangen neu als geschenkte Realität, was das Festgeheimnis im Innersten ausmacht, in einem Stückchen Brot in die leeren Hände gelegt: Der Leib Christi. Das ist ein Fest wert: Fronleichnam! Zum dritten: Gott hat uns nicht nur etwas mitgeteilt, er hat sich selber mitgeteilt, er hat alles mit uns geteilt: unser Leben und sein Leben mit uns, er hat uns sein Herz geöffnet. Das ist ein Fest wert: Das Herz Jesu Fest!
Wenn wir reflektieren, was uns im Durchgang durch die große Festzeit geschenkt wurde und jetzt unser Leben ausmacht, dann gibt es immer neue Gründe uns zu freuen! Die gilt es zu benennen und auszuschöpfen! Denn aus dieser Freude, in der wir aufnehmen, was Gott uns geschenkt hat, leben wir als Beschenkte und werden Teil der Herrlichkeit Gottes und wachsen und bringen reiche Frucht vom herrlichen Weinstück des Lebens: Prost!!!
Heute ist der erste dieser Festtage. Es ist Dreifaltigkeitssonntag! Das beinhaltet ganz wesentliches unserer Freude! Wir schauen auf das, was wir von Gott selber glauben und vertrauen dürfen. Dabei tun wir nichts anderes als darauf zu schauen, wie Gott sich uns gezeigt und geschenkt hat in dem, was uns erzählt wird von denen, die mit Jesus gelebt haben. Und die Zeugen seines Todes und seiner Auferstehung wurden. Aus dem Wie sich Gott gezeigt und geschenkt hat schließen wir vorsichtig und mutig auf das Wer sich da geschenkt hat! Aus dem, was die Jünger mit Jesus erlebt hatten, blieb ihnen nur der eine einleuchtende Schluss: Hier ist etwas ganz neues, beglückendes, Leben und Heilwerden und Bestimmung und Wahrheit erfuhren sie. Und erfuhren sich geliebt in letzter ganzer Tiefe, bis in den Tod, ja den Tod als Zertrennung und Beziehung zerstörend überwindend. So anders, so neu, das sie es sich gar nicht ausdenken konnten. Sie erfuhren eine Zuwendung, die sie zu neuen Menschen machte. Zu dieser Zuwendung gehörte vor allem, dass er ihnen Gott erschloss: Als seinen Abba Vater und sich selbst als den Sohn. Und weil er Gottes Sohn ist, konnte er zum Menschensohn werden: Ich bin unter euch als der, der dient. Inhalt seiner heilenden, Leben schenkenden Zuwendung war, ja seiner Freundschaft war: „Ich habe euch alles mitgeteilt, was ich von meinem Vater gehört habe!“ Mitgeteilt, damit ist bei ihm immer mehr gemeint, als etwas gesprochenes, sondern in ihm ist das Wort Fleisch geworden. Mitgeteilt meint dann wirkliches Teilen, er teilt alles mit uns, wird Mensch, und wir dürfen seins teilen! Deshalb ist es ganz logisch gar nicht genug anzuschauen und aufzunehmen, dass der Zielpunkt die Sendung seines Geistes ist! Wir empfangen denselben Geist. Er hatte zuvor ganz deutlich gesagt: Es ist gut für euch, dass ich gehe! Denn dann sende ich den Geist. Ich komme auf neue Weise zu Euch! Ich versuche mal, auszumalen, was damit gemeint sein könnte: War es solange Jesus bei ihnen war, so, dass sie mit ihm gezogen sind, ihm gefolgt sind, so kommt er nun so zu ihnen, dass sie aus demselben Geist leben können, also genauso ICH sagen wie er, aus demselben Selbstbewusstsein wie er, ja dass sie auf eine neue noch einmal viel grundlegendere Weise mit ihm teilen: Wenn sie seinen Geist empfangen, dann werden sie wie er aus Gott geboren. Sie werden wie er Töchter und Söhne Gottes. Und wie es für Jesus in seinem Leben innere Beheimatung war, aus der Beziehung zu seinem Vater zu leben, so leben sie nun aus der Beziehung zu Jesus und darin zu diesem Gott, den er seinen Vater nennt. Sie sind also in Gott beheimatet. Sein Geist ist das innerste Einssein zwischen Vater und Sohn. Und da gehören wir dazu. So werden wir eins mit Jesus, werden seine Jünger sind seine Jünger, wirken dasselbe wie er, nur jünger, das heißt in unserer Zeit und in unserer Art. Nicht als seine Kopien, sondern als Original, so wie Jesus von seinem Vater geliebt Original war.
Nicht in dem Sinn, dass wir nun über irgendwas Bescheid wüssten, sondern in der Kraft eines echten Vertrauens. Das nimmt nicht die Ehrfurcht in den unergründlichen Gott, sondern vertieft sie. Es gibt einen großen Strom der sogenannten negativen Theologie. Die spricht davon, dass wir immer nur sagen können, wer Gott nicht ist, also nur negativ über Gott reden können, denn er ist nur Gott, wenn er der ganz andere ist. Aber eins dürfen wir von Gott wissen, so sagt es der Brief des Johannes: Gott ist Liebe und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott bleibt in ihm. Damit ist Gott nur noch unergründlicher geworden, wir haben umso mehr Grund zu staunen und anzubeten! Aber ganz positiv, also in einem großen Vertrauen, dass tiefer gründet und näher ist als alle Angst. Denn, so sagt der hl. Augustinus im Blick auf den Geist Gottes: Deus intimo intimeor meo: Gott ist uns näher, intimer, als wir uns selber nahe sind.
In den letzten Worten des Matthäusevangeliums, die heute unser Evangelium sind, heißt es deshalb: Macht alle Menschen zu meinen Jüngern und tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes! Und das allerletzte Wort, das wirklich alles zusammenfasst: Seid gewiss, ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt! Auf dass wir reiche Frucht bringen und seine Jünger werden!